Wie geht es mit dem Weinbau im Retzer Land weiter? Mit dieser Themenstellung trafen die Klimamodellregion Retzer Land und das Weinquartier Retz den Nerv der Zeit. Mehr als 60 Teilnehmende sind vergangenen Donnerstag der Einladung zur Veranstaltung „Weinbau im (Klima-)Wandel“ in das Weinquartier Retz gefolgt. Die großen Fragen des Abends waren sicherlich, wie sich der Weinbau und die spritzigen Weinviertler Weißweine aufgrund des Klimawandels verändern und welche Anpassungsmaßnahmen Winzer:innen aber auch Vermarkter:innen treffen können.
V.l.n.r: DI Gregor Danzinger (Klimamodellregion Retzer Land), DI Hannes Weitschacher (Wein- und Tourismuskenner des Weinviertels), Bürgermeister Stefan Lang, Winzer Christoph Bauer, DI Martin Mehofer (HBLA Klosterneuburg), Winzer Phillip Zull, Doris Exel (Weinquartier), Theresa Brandstetter (Klimamodellregion Retzer Land)
Weinbauliche Herausforderungen und Lösungsansätze im Klimawandel
DI Martin Mehofer, Abteilungsleiter Weinbau der HBLA Klosterneuburg, eröffnete den Abend mit einem Impulsvortrag über die klimatischen Veränderungen wie Sonnenscheindauer, Temperatur und Wasser und stellte verschiedene Strategien bei Hitze und Trockenheit vor. Quintessenz: Allheilmittel gibt es keines. Je nachdem ob es ein trockenes oder feuchtes Jahr ist, ob die Temperaturen sehr heiß oder durchschnittlich sind, gilt es unterschiedliche Maßnahmen zu setzen. Begrünungen und Mulchen können helfen mehr Wasser im Boden zu speichern und die Verdunstung zu verringern. Angepasstes Laubmanagement, Tröpchenbewässerung in extrem trockenen Jahren und trockenheitstolerante Unterlagsrebsorten sind weitere Puzzleteile, die für eine erfolgreiche Weingartenbewirtschaftung im Klimawandel bereitstehen.
Wärmesummenindex sieht rot für das Weinviertel
Besonders eindrucksvoll war die Darlegung des Huglin-Index, der Auskunft über die Wärmesumme eines Jahres gibt. Heimische Rebsorten wie der Grüner Veltliner, Riesling und Zweigelt fühlen sich beim Index-Wert zwischen 1700 und 1800 wohl. Dieser lag in den letzten 10 Jahren immer darüber, meist sogar deutlich bei rund 2000 – und im Extremjahr 2018 gar bei 2400. Solche Werte sind vor allem für südlich angesiedelte Rotweinsorten wie beispielsweise den Syrah oder Sangiovese ideal. Heiße Jahre häufen sich, liegt die Zukunft des Weinviertels also im Rotwein?
Podiumsdiskussion über Lagen, Sorten, Geschmacksbilder und Nachfrage
Rotwein als neues Steckenpferd des Weinviertels? Dem konnten die drei Diskutanten nicht ganz zustimmen. Philipp Zull, Winzer aus Schrattenthal, verkauft einen Gutteil seiner Weine ins Ausland. Dabei hat er seine liebe Not, dass ausländische Käufer seine Rotweine überhaupt verkosten. „Österreich wird international als Weißweinland gesehen, das lässt sich nicht so einfach ändern.“ so seine Erfahrung. Zudem vermisst er beim Weinviertler Rotwein einen regionstypischen Weinstil – ähnlich wie das mit dem Weinviertel DAC gelungen ist. So etwas bräuchte es, um Weinviertler Rotwein als Besonderheit zu vermarkten.
DI Hannes Weitschacher, Wein- und Tourismuskenner des Weinviertels, sieht das ähnlich und betont die lange Vorlaufzeit bei der Etablierung von neuen Marken. Die ersten 5-10 Jahre sind Aufbauarbeit, die sich erst danach langsam bezahlt macht. Zudem sieht er die Zeit für den Rotwein noch nicht gekommen. Vielleicht in 30-40 Jahren, aber bis jetzt geht den Weißweinen im Weinviertel „die Luft noch nicht aus“. Geschmackliche Veränderungen beim Flaggschiff Grüner Veltliner „Weinviertel DAC“ hat es bereits in den letzten 15 Jahren gegeben. Die Weine sind längst nicht mehr so säurelastig und auch das typische Pfefferl ist nicht mehr so ausgeprägt. Getrunken wird er trotzdem – Nachfrage steigend.
In die gleiche Kerbe schlägt auch Christoph Bauer, Winzer aus Jetzelsdorf. Auch er merkt an, dass sich der Geschmack der Weine laufend verändert. Würde man heute einen Grünen Veltliner aus den 80er/90er Jahren kredenzen, würde diesen allein schon aufgrund der extremen Säuregehalte niemand mehr trinken. Geschmacksveränderungen sind in Ordnung, diese passieren laufend und die Weintrinker wachsen mit den Veränderungen. Hoher Beliebtheit erfreut sich in den letzten Jahren der Frizzante und auch Rosé boomt. Darin sieht Bauer eine Chance.
Hitzig diskutiert wurde auch der Anbau von PIWI-Sorten wie Donauveltliner oder Donauriesling. Das sind eigene Züchtungen mit erhöhter Pilzwiderstandfähigkeit, wodurch weniger Pflanzenschutzmitteln zum Einsatz kommen. DI Mehofer sieht in der Bevölkerung ein zunehmendes Unverständnis für die Notwendigkeit der Anwendung von chemischen Pestiziden und wittert eine Chance für die neuen Züchtungen. Für die Winzer Bauer und Zull sind diese noch nicht gut genug ausgereift. Die Qualität könne mit den herkömmlichen Sorten noch nicht mithalten.
Neben Sorten und Geschmack wurde auch über Anbaumethoden gesprochen. Bauer setzt auf Begrünung: im Winter durchgehend, im Sommer jede zweite Reihe mit artenreichen Blühpflanzen. Das hilft auch deutlich beim wichtigen Humusaufbau, 1 % mehr Humus im Boden bedeutet 400.000 Liter zusätzliche Bodenwasserspeicherkapazität pro Hektar! Zull berichtet von Veränderungen in den einzelnen Weinlagen. Lagen neben Wäldern wurden früher nicht bewirtschaftet, da die Trauben aufgrund des kühleren Klimas nicht reif wurden. Heute setzt er genau dort wieder Rebstöcke aus. Denn in frühen Lagen mit leichten Böden stöße er an seine Grenzen, da die Trauben zu viel Zucker bilden, aber weniger ausgeprägte Weinaromen entwickeln können.
Bei den abschließenden Schluss-Statements brachte es DI Weitschacher auf den Punkt: Ergreifen wir keine umfassenden Klimaschutzmaßnahmen um den Klimawandel einzubremsen, werden Geschmacksveränderungen beim Grünen Veltliner unsere geringste Sorge sein.
Krönender Abschluss und gemütlicher Ausklang bei Weinverkostung
Fulminantes Ende des Abends bildete die vom Weinquartier Retz organisierte Weinverkostung von acht Spitzenklasse-Weinen. Verkostet wurden vier unterschiedliche Grüne Veltliner: konventionell angebaut, Bio-Wein, Natural-Wein und die PIWI-Sorte Donauveltliner. Beim Riesling wurden ein Natural-Wein und der Donausriesling verkostet, bei den Rotweinen die beiden PIWI-Sorten Rathay und Rösler. Vorgestellt wurde der jeweilige Wein vom Winzer persönlich.